Im Herbst 2007 wurde ich von Gertrude Moser-Wagner zu einer Fahrt nach Italien eingeladen, um einen Tintenfisch “ zu fotografieren.

Ich konnte mir nicht sehr viel unter diesem Thema vorstellen, beschloss aber, mich überraschen zu lassen.

Gertrude und ich kennen uns von einem gemeinsamen Atelieraufenthalt in Rom und Gertrude ist eine meiner wichtigsten Künstlerkolleginnen und Freundinnen Wir bildeten schon des Öfteren eine Art Subgruppe “ zur KünstlerInnengruppe OSMOSI und immer haben diese Projekte einen Italienbezug.

Wir fuhren nach Formia, ein hübsches Städtchen am Meer südlich von Rom gelegen, und wurden von Fritz Ascher de Luca, dessen Familie dort ansässig ist, großzügig untergebracht.

So machten wir drei uns auf die Suche nach dem Tintenfisch und es wurde zu einem Aufenthalt von bezaubernder Schönheit und magischen Erlebnissen.

Die Reise führte von Rom nach Formia und die kleine Insel Ventotene nach Neapel und zurück nach Rom.

Einige Fotografien sind im Haus des Meeres in Wien, das auch einen Tintenfisch beherbergt, aufgenommen.

Die Meeresabgründe und ihre Bewohner und Geheimnisse gelten bis heute als Fundgrube von Mythen und Metaphern, und nicht immer galt der Tintenfisch als furchterregend.
In der Antike galt er sogar als Symbol der Liebe, man findet ihn auf Münzen und Vasen in Knossos, Mykene und Zypern, man schrieb ihm Seelenstärke und magische Kräfte zu.
Später gilt der Tintenfisch als archetypische und paradigmatische Figur:
er ist ein Element des Imaginären, das auch in den Mythen der Maoris und Initiationsriten eine Rolle spielt. Durch seine Größe, Form und seine Nähe zum Wasser versinnbildlicht er die Vorstellung vom ursprünglichen Chaos ebenso wie die Gefahr am Rande der organisierten Welt, verbunden mit der Gabe von List und Täuschung.
Im Mittelalter war die Krake ein Symbol für den Verräter, Lügner, Geizhälse, aber auch für die "sündhafte" Frau.
Der Oktopus, in dessen Saug- und Greifarme sich die Opfer verfangen und nicht mehr entrinnen können, bot sich durch seine ambivalente sexuelle Interpretierbarkeit der Psychoanalyse als Projektionsfeld an und fand auch Einzug in die Triebtheorie: er wurde zum pollphallischen Symbol umfunktioniert.
Als Waffe gegen die Kastrationsangst ist er mit einem Penis ausgestattet. (Freud) Er Übernimmt auch die Verteidigung vernichtende Schuldgefühle, dank seiner Saugnäpfe und der Fähigkeit Objekte zusammen pressen zu können, und erlaubt die eigenen destruktiven Tendenzen befreiend auf das Gegenüber zu projizieren. So also taucht er auf aus der Fabel (metaphorisch), aus Aquarien (annährend), aus Erzählungen (mythisch), aus unseren Träumen (freudianisch).....
Auch taucht er auf als utopische Vorstellung vom Neuen Menschen...(Science Fiction)........

(nach Paola Bozzi, Rhapsody in Blue. Vilem Flusser und der Vampyroteuthis infernalis, 1995)

Orte:

2007–09

EW, 2008

POLIPOLOGO:
Ein Projekt von GERTRUDE MOSER-WAGNER mit Nanni Balestrini und Elisabeth Wörndl

Serie von 95 Farbabzügen, 29 cm x 21 cm, 2008
OCTOPUS 1, Video, 3 Min, Dvd, Pal, 2008